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Paper Prototyping


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Binan Woll

Ich weiss noch, dass ich während meines Game Design Studiums Papierprototypen «irgendwie sinnlos» fand. Ich wusste doch schon ganz genau wie mein Spiel funktionieren sollte. In meinem Kopf ergab alles Sinn. Also dann doch lieber gleich zur Action übergehen, oder?
Ein paar schlaflose Nächte später hatte ich meine Meinung allerdings geändert. Ganze Mechaniken mussten umgeschrieben werden. Hier war das Spielziel nicht klar, dort war ein Interface nicht sinnvoll. Oh, hätte ich doch bloss diesen blöden Paper Prototype gemacht.

Was ist ein Paperprototype?

Ein Paper Prototype ist - wie der Name sagt - ein Prototyp aus Papier. Bewaffnet mit Stift, Schere, Papier und einem willigen Versuchskaninchen kann man innerhalb weniger Stunden den ganzen Ablauf eines Projekts in eine testbare Form bringen. Ästhetik spielt hier keine Rolle. Man will herausfinden, was den Spieler:innen neugierig macht und antreibt, welche Aktionen sie ausführen wollen oder wo Sackgassen drohen.
Man kann ganz unterschiedliche Dinge mit einem Paper Prototypen testen: Ein Spielsystem, eine Story oder einfach nur eine Benutzeroberfläche wie z.B. eine Webseite.

Wie testet man mit einem Paperprototype?

Zuerst überlegt man sich, was überhaupt dargestellt werden muss. Vieles kann während dem Testen auch erzählt werden. Wie z.B. «Am Anfang siehst du eine kleine Sequenz, in der die Geschichte des Spiels erzählt wird». Hier macht es keinen Sinn ein ganzes Storyboard auszuarbeiten.
Die verschiedenen Bildschirme, auf denen man interagieren kann, werden simpel skizziert. Für Objekte oder Punkte kann man bunte Spielsteine dazu nehmen oder was man sonst gerade herumliegen hat. Veränderbare Objekte (z.B. Hebel, Buttons) bekommen mehrere Bilder, um den Zustand zu symbolisieren. Würfel sind geeignete Werkzeuge, um zufällige Ereignisse auszuwürfeln.

Optimal ist es, mit einer Person zu testen, die noch wenig oder am besten gar nichts über das Projekt weiss und natürlich zur angestrebten Zielgruppe gehört. Am Anfang werden ihr die Spielregeln und allfälliges Hintergrundwissen erklärt. Sobald die Testperson angefangen hat zu spielen, wird beobachtet und dokumentiert.

Folgende Fragen kann man sich und der Testperson während des Testings stellen:

  • Weiss die Testperson immer, was sie als nächstes machen soll oder «probiert sie einfach mal»?
  • Findet die Testperson immer sofort wonach sie sucht? (z.B. ihr Inventar, einen Anhaltspunkt...)
  • Dauern gewisse Aspekte des Spiels so lange wie man sich das vorgestellt hat? (Ist z.B. ein Rätsel viel zu einfach oder zu schwer?)
  • Hat die Testperson Spass an dem was sie macht?

Ganz wichtig dabei ist: Nie der Testperson erklären, was die richtige Lösung ist, es sei denn, sie weiss überhaupt nicht mehr weiter. Es sollte vor allem herausgefunden werden, welche Punkte unklar sind, um später das Design entsprechend zu verbessern.

Erste Versionen des Prototyps von "Choose Your Risk"
Erste Versionen des Prototyps von "Choose Your Risk"

Probleme früh erkennen

Auch das frühe Erkennen von Lücken in der Spiellogik ist ein weiterer Pluspunkt für den Paper Prototype:

In unserem jüngsten Projekt Choose Your Risk hahaben wir die Spieler:innen würfeln lassen, um über ein Spielfeld zu ziehen. Allerdings wurde dann schnell klar, dass je nach Glück der Spieler:innen die Spieldauer zu zufällig wurde und das Kernspielprinzip - nämlich durch Events auf Spielfelder Punkte zu erlangen - nicht unterstützt, sondern verkompliziert wurde.
Im schlimmsten Fall war eine Runde nach zwei Minuten und drei Events vorbei. Unser Ziel war jedoch eine durchschnittliche Spieldauer von 10 Minuten. Eine Möglichkeit auf unsere gewünschte Zeit zu kommen wäre gewesen, das Spielfeld mit viel mehr Inhalten zu füllen. Dies hätte aber mehr Entwicklungszeit und ein grösseres Budget benötigt.

Also haben wir uns dazu entschlossen, dass die Spieler:innen nicht würfeln können und die Figur automatisch von Feld zu Feld rückt. Auf dem Feld selber wurde je nach Art des Feldes mit einem Glücksrad entschieden, was genau passieren wird. Um den Spieler:innen eine spannendere, taktische Entscheidungskomponente zu geben, wurden Abzweigungen eingebaut, bei welchen die Spieler:in die Richtung wählen kann.
Diese kleine Erkenntnis hat uns einige Minuten Überarbeitungszeit an unserem Prototyp gekostet. Hätten wir es aber erst während der digitalen Entwicklung gemerkt, wären dafür mehrere Tage für das Umschreiben der Programmierung verschwendet worden.

Spätere Versionen des Protoyps, bevor dann das Spielbrett in digital gebaut wurde.
Spätere Versionen des Protoyps, bevor dann das Spielbrett in digital gebaut wurde.

Spielende Kund:innen

Sobald ein Paper Prototype einen zufriedenstellenden Stand erreicht hat, testen wir ihn direkt mit unseren Kund:innen. Das hat zum Vorteil, dass wir so früh in der Entwicklungsphase bereits Feedback einfliessen lassen und den Kund:innen eine bessere Vorstellung vom Endprodukt liefern können.
Wie bereits in unserem letzten Blogpost näher ausgeführt, ist besonders für Auftragsarbeiten eine enge, iterative Zusammenarbeit mit den Auftraggebern wichtig und der Paper Prototype ist ein ideales Werkzeug dafür.

Es ist natürlich ein initialer Mehraufwand. Bis jetzt hat er sich jedoch jedes Mal gelohnt, da nur noch selten einschneidende Änderungen vorgenommen werden müssen, wenn wir schon weit in der digitalen Version vorangeschritten sind. Ausserdem gibt es den Kund:innen mehr Sicherheit, dass das Produkt auch wirklich zu dem wird, was sie sich vorgestellt haben.

Schlusswort

Unsere Erfahrung zeigt, dass der Paper Prototype ein extrem nützliches Werkzeug ist, um die grössten Probleme in einem Projekt bereits früh zu erkennen. Zusätzlich können wir gemeinsam mit unseren Kund:innen in einer lockeren Testsession an der Projektidee feilen und sie verbessern. Paper Prototyping ist sinnvoll, zielorientiert und macht zudem auch noch Spass. Und das ist schliesslich das, wofür wir uns einsetzen.